Der Siebenschläfer

Zum Tier des Jahres hat die SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHES WILD wieder einmal ein kleines Tier gewählt, den Siebenschläfer. Zugleich will die Organisation zur Erhaltung der freilebenden Tierwelt auch auf die anderen Arten aufmerksam machen, die zur Gattung der Schläfer oder Bilche gehören: den Gartenschläfer, den Baumschläfer und die Haselmaus. Die Schlafmäuse, wie sie auch genannt werden, gehören zur großen Tierfamilie der Nagetiere.

Siebenschläfer

Der Siebenschläfer ist die größte und am meisten verbreitete Art unter den Bilchen. Er interessierte die Menschen seit altersher und kommt in vielen alten Berichten und Legenden vor. Im alten Rom wurden die Tiere verspeist, sie galten als Leckerbissen. Zu den Mahlzeiten wurden Waagen aufgestellt, um die Siebenschläfer unter notarieller Aufsicht zu wiegen. Sie waren zuvor in Töpfen ähnlich Tonnen gemästet worden, die bei Ausgrabungen in Herculaneum gefunden wurden. Sogar besungen wurden die Schläfer: „Winter, wir schlafen dich durch“, heißt es in einem Lied, „und wir strotzen von blühendem Fette, Just in den Monden, wo uns Nichts, als der Schlummer ernährt“.

Der Siebenschläfer ist nach der Einschätzung in „Grzimeks Tierleben“ ein „harmloses Mitglied unserer Tierwelt“ – so lange jedenfalls, bis er nicht zu häufig wird. In einem anderen“ Tierleben“ aber, dem von Alfred Brehm, kommt der meist graubraune Schläfer mit dem langen, buschig behaarten Schwanz und den dunklen Ringen um die Augen nicht so gut weg. „Sein Wesen ist nicht gerade angenehm“, meint Brehm, „er befindet sich fortwährend in gereizter Stimmung, er frisst, solange er fressen kann“. Ein so großer Fresser könne „geistig nicht sehr befähigt sein, er hat überhaupt nicht viele guten Eigenschaften“.

Glis glis

Glis glis, wie der Siebenschläfer wissenschaftlich heißt, ist vorwiegend ein Baumtier und lebt vor allem in alten Eichenbeständen. Er ist ein guter Kletterer, seine spitzen Krallen finden Halt in der Baumrinde. Auch in der Nähe des Menschen ist er zu finden, und das nicht immer zum Vergnügen der menschlichen Mitbewohner. „Wir haben seit drei Jahren unsere liebe Not mit den putzigen Quälgeistern“, schreibt uns Schutzgemeinschafts-Mitglied Marlene Steines aus Lebach. „Da wir mitten im Wald wohnen, haben die Siebenschläfer es irgendwie geschafft, in unseren Küchenbereich einzudringen, was kein Anlass zur Freude ist. Tierarzt, Förster, Kammerjäger und Zoo, alle wurden befragt, was zu tun sei, um die Tiere los zu werden. Keiner hatte eine Lösung, doch alle wiesen darauf hin, dass die Siebenschläfer unter Naturschutz stehen“. Alle Schläferarten sind geschützt. Drei norddeutsche Bundesländer führen den Siebenschläfer in ihren eigenen Roten Listen der gefährdeten Tierarten, beim Gartenschläfer sind es vier Länder, und der Baumschläfer ist für ganz Deutschland als „stark gefährdet“ eingestuft. Auch die Haselmaus, die kleinste Bilchart, ist unter Schutz gestellt. Sie ist in den Roten Listen von acht Bundesländern verzeichnet und steht in der für die ganze Bundesrepublik geltenden Roten Liste der gefährdeten Arten in der „Vorwarnliste“. Die Haselmaus ist ebenso wie der Siebenschläfer und der Gartenschläfer in ganz Mitteleuropa verbreitet, während der Baumschläfer hauptsächlich in den Balkanländern vorkommt, aber auch im Gebiet der Ostalpen zu finden ist.

Das besondere Merkmal aller Schlafmäuse, dem sie auch ihre Namen verdanken, ist ihr ungewöhnlich langer Winterschlaf. Beim Siebenschläfer dauert er bis zu sieben Monate, beginnt im Oktober und dauert bis um die Wende April/Mai. Sobald er ausreichend Fett für den langen Schlaf in seinem Körper gespeichert hat, sucht der Siebenschläfer sich einen geeigneten Schlupfwinkel. Es kann eine Spechthöhle oder ein ausgefaultes Astloch sein, doch auch eine Felshöhle, der Mulm einer Kopfweide oder eine Scheune, selbst Bienenhäuser, Jagdhütten und Winkel in Hochsitzen werden angenommen. Und da, wo das Tier sich ein Haus als Unterkunft ausgesucht hat, hält es seinen langen Schlaf in Dachböden. Viele Siebenschläfer graben sich ins Erdreich ein und halten in einer Tiefe von einem halben bis zu einem Meter ihren Winterschlaf: auf dem Rücken liegend, den Schwanz über Bauch und Kopf gebogen, mit geschlossenen Augen und die Ohrmuscheln über den Gehörgang geklappt. Auf diese Weise wird die geringste Energie verbraucht.

„Siebenschläfer“, berichtet Schutzgemeinschafts-Mitglied Eckhard Woite, „benötigen als Tagesverstecke trockene Unterschlupfmöglichkeiten, die gegen Sicht und Wind geschützt sein müssen. Um für den Winterschlaf geeignet zu sein, müssen sie zusätzlich noch frostfrei, aber nicht zu warm sein, da in einem warmen Körper Herz- und Atemfrequenz steigen und damit der Energieverbrauch höher ist. Solche Quartiere können auch von jedem ohne zu großen Aufwand gebaut werden. Beispiele sind mit Reisig geschützte Laubhaufen, Benjeshecken oder auch Wurzelburgen – dazu wird eine 60-80 cm tiefe Mulde gegraben und mit Baumstümpfen und Ästen gefüllt, zum Schluss alles mit einer dicken Laubschicht abgedeckt. Bei all diesen Verstecken ist es gut, ein paar unbehandelte Bretter mit einzuarbeiten, weil dadurch trockene und feuchte Stellen entstehen. Gerne nimmt der Siebenschläfer auch Nistkästen an, wobei der günstigste „Fluglochdurchmesser“ 35 mm beträgt. Die Verstecke werden zudem auch von anderen Tierarten genutzt: dem Gartenschläfer, der Haselmaus, ebenso von Igel, Hermelin, Mauswiesel, Reptilien und Amphibien, schließlich von Spinnen- und Insektenarten. Im Reisighaufen nistet gerne auch der Zaunkönig“.

Der Siebenschläfer ist auch in Bauernregeln und Legenden zu finden. So lautet eine Regel: „Das Wetter am Siebenschläfertag, sieben Wochen bleiben mag“. Die Legende, die gleichermaßen im christlichen wie im islamischen Glauben verankert ist, berichtet von sieben jungen Männern, die vor der Verfolgung durch Kaiser Decius im Jahr 251 aus der Stadt Ephesus flüchteten und Zuflucht in einer Höhle fanden. Sie wurden vom Hund „Kitmir“ bewacht, der die Menschensprache verstand. So schliefen die Sieben 309 Jahre lang. Diese Legende ist Ursprung für den Siebenschläfertag, der alljährlich am 27. Juni im Kalender steht.

Jana Brinkmann-Werner
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