Leinenführigkeit + Leinentraining bei Welpen

Bei den ersten Spaziergängen war alles noch ganz einfach. Jule und Murphy waren stets darauf bedacht, ihre neuen Besitzer nicht zu verlieren. Nach dem Schreck der Trennung von Mutter und Geschwistern sollte ihnen das auf keinen Fall noch einmal passieren! Aber schon nach ein paar Tagen folgte Jule nicht mehr jedem Schritt ihrer Besitzerin.

Es gab hier etwas zu schnüffeln und dort eine interessante Bewegung zu beobachten. Andere Gesichter beugten sich über sie und es passierte ab und zu, dass sie im Eifer der Begeisterung zunächst den falschen Füßen folgte – bis sie es plötzlich bemerkte oder die schon vertraute Stimme von Frauchen sie aus ihrem Irrtum riss. Schnell rannte sie zurück zu ihr. Fast immer gab es dann ein Leckerchen und eine Streicheleinheit. Frauchen ist und bleibt eben die Beste!

Die Gefahr des Weglaufens

Aber mit zunehmender Sicherheit – die Umgebung kannte sie bald genau – wurde Frauchen einfach zu “langweilig”. Das Spiel mit anderen Hunden, ein Vogel auf der anderen Straßenseite oder die nette Nachbarin (die immer Würstchen in der Tasche hatte) gingen manchmal einfach vor. Jedoch dann kam die Sache mit der Leine: eines Tages wurde Jule nämlich zusätzlich zum Halsband ein weiteres Stück Leder an den Hals gebunden. Die ersten Schritte tat sie wie gewohnt, doch dann bemerkt sie das zusätzliche Gewicht und dass sie gar nicht dorthin gehen konnte, wohin sie wollte. Verdutzt setzte sie sich. Frauchen zerrte zuerst, rief und lockte dann, aber Jule war nicht mehr zu bewegen.

Für Murphy war die Leine etwas ganz anderes. Da seine Besitzer in der Innenstadt wohnen, war er von Anfang an gewohnt, angeleint dicht bei Frauchens Beinen zu bleiben. Er fühlte sich sicher und gewöhnte sich so auch bald an dichten Verkehrslärm und die vielen fremden Füße, die immer wieder dicht an ihm vorbei gingen. Murphy entdeckte aber, dass es eine wunderbare Ablenkung vom langweiligen Spazierengehen durch die Straßen gab: man musste nur in die Leine beißen und kräftig daran zerren, dann blieb Frauchen stehen und versuchte, ihm die Leine schimpfend zu entreißen. Das war eine Gaudi! Man kam zwar nicht vorwärts, dafür machte es aber viel mehr Spaß! Nach ein paar Tagen hatte Frauchen aber offenbar die Lust verloren (oder ihr hatte jemand einen Tipp gegeben?), sie kümmerte sich nicht mehr um Murphys “Spielaufforderung”, sondern ging einfach ungerührt weiter, bis auch er die Lust verlor und die Leine wieder fahren lies.

Leinenführigkeit und Leinentraining

Inzwischen geht Murphy hervorragend an der Leine. Auch beim Freilauf im Auslaufgebiet gehorcht er meist gut. Wenn er allerdings eine gut riechende Spur in der Nase hat oder ein Kaninchen vor ihm aufspringt, kennt er nichts. Frauchen ist dann abgeschrieben. So sehr sie sich auch bemüht, zu rufen, pfeifen oder zu schimpfen; es nützt nichts. Er scheint das alles gar nicht zu hören. Nun hat Murphy auf allen Spaziergängen mit Freilauf eine lange Leine am Halsband hängen. Ihn stört das beim Spielen und Stöbern überhaupt nicht. Aber wenn er jagend losläuft, nichts mehr hört und kein Rufen wahrnimmt, gelingt es Frauchen meist noch rechtzeitig auf das Ende der Leine zu treten, und Murphys Spurt zu stoppen. Zur “Besinnung” gebracht kommt er oft fast froh wirkend zurück und genießt es, zu Belohnung ausgiebig mit seinem Lieblingsspielzeug spielen zu dürfen.

Was ist zu beachten beim Thema Leinenführung?

Für jeden Hund gibt es Situationen, in denen er angeleint werden sollte und auch solche in denen er sogar angeleint werden muss; deshalb ist es wichtig, das Laufen an der Leine von klein an zu üben: Grundsätzlich kann man sagen, dass jeder Hund – egal ob perfekt gehorchend oder nicht – an das Gehen an der Leine gewöhnt sein sollte. Und das von Anfang an!

Zur eigenen Sicherheit: In stark belebten Straßen mit viel Verkehr und Lärm kann selbst der gelassenste Hund einmal erschrecken oder seinen Besitzer missverstehen und auf die Straße laufen. Um den Hund und andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden, gehören Hunde in solchen Situationen an die Leine! Dies gilt auch immer dann, wenn Ihre Konzentration auf Ihren Hund z.B. aufgrund eines intensiven Gespräches o.ä. so abgelenkt ist, dass der Hund sich selbst überlassen bleibt. Auch dann sollten Sie Ihr Tier zu dessen Sicherheit lieber anleinen. Auch wenn Sie einmal, aus welchen Gründen auch immer, darauf angewiesen sind, dass jemand anderer Ihren Hund ausführt, ist es für alle Beteiligten gut zu wissen, dass Ihr Hund “gesittet” an der Leine laufen gelernt hat.

Zum Schutz anderer: Wann immer Sie bemerken, dass andere Menschen sich vor Ihrem Tier ängstigen, sollten Sie Ihren Hund zu sich rufen und gegebenenfalls auch anleinen. Die Aussage “der tut nichts” ist nicht geeignet Ängste zu beseitigen. Ängste und Vorurteile werden am ehesten abgebaut, wenn Ihr Hund zuverlässig gehorcht und sich ruhig und gelassen an der Leine zeigt. Nicht zuletzt gibt es auch gesetzlich vorgeschriebene Situationen in denen Sie verpflichtet sind, Ihren Hund an der Leine zu führen (auf Spielplätzen, in öffentlichen Grünanlagen, Treppenhäusern).

Leinenführung üben

Unbändiges “An-der-Leine-Zerren” sieht man leider bei sehr vielen Hunden, unabhängig von ihrer Körpergröße oder ihrem Alter. Je kleiner der Hund ist, um so leichter lässt er sich, auch wenn er sich noch so “ins Zeug schmeißt”, kontrollieren. Bei Hunden größerer Rassen sieht dies aber nicht nur unschön aus, es kann auch gefährlich werden, wenn man erst den Hund und schließlich sich selbst nicht mehr halten kann.

Wichtig für ein effektives Training der Leinenführigkeit ist, dass Sie bereits mit dem Welpen üben. Dazu müssen Sie Ihren Hund auf jedem Spaziergang mehrfach anleinen. Damit Ihr Hund das Anleinen nicht negativ verknüpft, sollten Sie Ihren Hund keinesfalls nur am Ende des Spazierganges oder nach einem Spiel mit anderen Welpen an die Leine nehmen und so zum Auto oder nach Hause zurückkehren. Ziel des Leinen-Trainings ist es, dass sich Ihr Welpe an der Leine genauso gelassen und fröhlich neben Ihnen her bewegt, wie ohne Leine. Dieser Erfolg kann schnell erreicht werden, wenn Ihr Welpe versteht, dass die Leine eine Verbindung zwischen ihm und Ihnen darstellt, die eine bestimmte feste Länge hat (sinnvollerweise 1-1,5 m) und außerdem zu respektieren ist. Die Länge der Leine wird Ihr Hund schnell registrieren, aber wie lernt er sie zu respektieren?

Dem Hund beibringen, die Leine zu akzeptieren

Sobald Ihr Welpe das Ende der Leine erreicht hat, wird er, wenn Sie wirklich nichts anderes machen als einfach stehen zu bleiben, einen unangenehmen Widerstand am Halsband fühlen.
Wenn Sie an der Leine ziehen, wird das einen natürlichen Reflex zum Gegenzug auslösen, damit wäre also nichts gewonnen. Sie erreichen am meisten, wenn Sie tatsächlich wortlos stehen bleiben und abwarten, bis Ihr Welpe von alleine wieder näher zu Ihnen herankommt, die Leine also wieder durchhängt.

Stellen Sie sich einen an einen Pfahl angebundenen Hund vor (Sie können es auch ausprobieren): Niemals wird das Tier endlos an der Leine zerren, sondern, sobald es festgestellt hat, dass es nicht weiter geht, wird es sich setzen (und ggf. jammern) und abwarten. Genauso wird Ihr Welpe an der Leine lernen, dass es gerade dann überhaupt nicht vorwärts geht (was er ja so dringend möchte), wenn er das Ende der Leine straff zieht und Druck am Hals verspürt. Aber sobald er an lockerer Leine entspannt neben Ihnen geht, wird er mit Leckerchen belohnt und kommt vorwärts (was er ja will). Wichtig bei all dem ist absolute Konsequenz, denn sonst kann der Lerneffekt natürlich nicht eintreten, sondern das Gegenteil: “manchmal, wenn ich nur doll genug ziehe, geht es doch vorwärts!”.

Übrigens: mit der geschilderten Methode lässt sich leicht auch noch älteren Hunden gute Leinenführigkeit beibringen – es erfordert nur etwas mehr Geduld und Konsequenz.

Spezielle Schwierigkeiten

Ein besonderes Problem bei Welpen, die Halsband und Leine noch nicht gewöhnt sind, kann dadurch entstehen, dass der Hund, wenn beides angelegt wurde, gar nicht laufen will. Dann widerstehen Sie unbedingt Ihrer Idee, den Welpen nunmehr ihrerseits ziehen zu wollen. Sie wissen ja, Zug löst den Reflex des Gegenzuges aus. Bleiben Sie ein paar Schritte weiter stehen und rufen Sie ihn, aufmunternd und motivierend, eventuell ein Spielzeug zeigend. Sobald er ein paar Schritte macht und auf Sie zu kommt, wird er mit Leckerchen und Lob belohnt. Gehen Sie ganz langsam, lockend und unmerklich weiter – bis er sich daran gewöhnt hat.

Wenn Ihr Welpe in die Leine beißt, während Sie neben ihm gehen, beachten Sie dies nicht. Wenn er keine Reaktion erfährt, wird er gelangweilt etwas anderes versuchen, um Ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wenn Sie schimpfen oder versuchen, ihm die Leine wieder zu entreißen, erreicht er genau das, was er sucht: ein neues tolles Spielchen, bei dem er bestimmen kann, wann er Lust hat, es mit Ihnen zu spielen.

Kurzleine oder Laufleine?

Ein Wort noch zu den “ausziehbaren Flexileinen”: Um Welpen oder erwachsenen Hunden Leinenführigkeit beizubringen, sind sie gänzlich nutzlos und ungeeignet. Dennoch kann eine solche flexible längere Leine aber in bestimmten Situationen eine Art “Freilauf” gestatten, wo er sonst verboten ist (z. B. in Grünanlagen). Aber auch an diese Leinen sollten Sie Ihren Welpen derart gewöhnen, dass er lernt, die erlaubten 4-6 m zu respektieren und nicht weiter weg laufen zu wollen, bzw. nicht an deren Ende zu zerren.

Wenn Sie das Rückrufen Ihres Hundes trainieren wollen oder ein Fortlaufen/Jagen auf Distanz verhindern möchten, dann sollten Sie besser mit einer 10 m langen sog. Schleppleine arbeiten. Diese wird vom Hund frei über den Boden gezogen und Sie können – ohne dem Hund ganz nahe kommen zu müssen- ggf. darauf treten, um ein weiteres Weglaufen zu begrenzen.

Vielen Dank für Ihr Interesse an unserem kleinen Guide zum Thema Erziehung von Welpen. Wir hoffen, dass Sie viel Freude mit Ihrem Vierbeiner haben!

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Jana Brinkmann-Werner
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