Der Feldhase

Das Tier des Jahres 2001, gewählt von der SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHES WILD (Organisation zur Erhaltung der freilebenden Tierwelt), ist der Feldhase. Anlass ist einmal, dass diese Tierart in Deutschland zumindest regional stark abnimmt – zum anderen aber auch, dass die Ursachen für den Rückgang noch weitgehend unbekannt sind. Mümmelmann ist mancherorts noch zahlreich, in anderen Gebieten aber nur in geringerer Zahl vorhanden. Es ist deshalb auch problematisch, dass der Hase in der Roten Liste der gefährdeten Arten Deutschlands unter „gefährdet“ geführt wird.

Feldhase

Zweifellos aber ist für das regionale Verschwinden die Veränderung des Lebensraumes durch die Intensivlandwirtschaft verantwortlich – ferner zu hohe Bestände von Beutegreifern, vor allem von Füchsen. Der Feldhase ist kein Nagetier, er gehört zur zoologischen Ordnung der Hasentiere, die weltweit 45 Arten um fasst. In welchem Ausmaß seine Art zurückgeht, lässt sich auch aus der Entwicklung der Jagdstrecken erkennen. 1936 wurden noch drei Millionen Hasen erlegt, im Jahr 1980 waren es nur noch 740.000 Tiere und im Jagdjahr 1998/99 mit 446.095 noch weit weniger. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Jäger sich freiwillig bereit erklärt haben, die Hasenjagd einzuschränken oder ganz auf sie zu verzichten, so lange die Bestände gering sind.

Der Feldhase ist das einzige Säugetier, das auch strenge Winter ohne Schutz einer Höhle oder eines Baues übersteht. Er drückt sich in einer flachen Mulde auf dem Feld und ist deshalb nicht leicht zu entdecken. Fällt Schnee, lässt er sich einschneien und ist dann so gut wie unsichtbar. Viel besser wäre natürlich, wenn viele Acker nicht im Winter kahl wären, so dass der Hase Deckung finden könnte.

Lepus europaeus

Die Fortpflanzungszeit des Hasen dauert von Januar bis Oktober. In diesem Zeitraum bringt die Häsin meist drei Mal Junge zur Welt, die mit offenen Augen, behaart und schon mit Zähnchen geboren werden. Seit einiger Zeit wird von Wildbiologen in Deutschland erforscht, ob bei den Rammlern, den Hasenmännern, Fruchtbarkeitsstörungen vorliegen. Erste Ergebnisse verneinen diese Annahme. Weiter wird untersucht, welche Rolle die rund fünfzig Umwelt-Chemikalien spielen, die sich auf Hasen auswirken können.

Durchschnittlich 120.000 Langohren werden alljährlich Opfer des Straßenverkehrs. Auch wird in der deutschen Landschaft noch immer gewildert. Schätzungen lassen vermuten, dass jedes zehnte gewilderte Wildtier ein Feldhase ist.

Um kaum ein anderes Tier ranken sich so viele Legenden und Geschichten wie um den Hasen. Er kommt nicht nur in vielen Märchen, sondern auch in zahlreichen Sprichwörtern vor: vom Hasen im Pfeffer bis zum Schlag hinter die Löffel. Und verkannt ist er auch, als Osterhase oder als Trottel, der vom Igel hereingelegt wird. Dabei ist Lepus europaeus, wie der Feldhase wissenschaftlich bezeichnet wird, ein sehr gewitzter Geselle. Und auch alles andere als ein Hasenfuß, wie schon so mancher Jagdhund erfahren musste. Auch ein schneller Hund erwischt einen Hasen nicht, der mit Tempo 70 dahinsaust und in vollem Lauf ohne Stopp einen Haken um 90 Grad schlägt, auch gewitzt genug ist, auf der eigenen Spur zurückzulaufen und der in einer Notsituation sogar schwimmt.

Feldhasen

Das Tier des Jahres 2001 kann zwei Meter hoch und bis zu sieben Meter weit springen. Es hat einen Blickwinkel von 90 Grad und ist schon beobachtet worden, wie es in höchster Gefahr sogar in einen Fuchsbau flüchtet: zum ärgsten Feind. Das Wort vom Angsthasen ist pure Verleumdung. Es wurde dokumentiert, wie ein Hase den Menschen so nahe an sich herankommen lässt, dass er fast auf ihn tritt: Erst dann explodiert er förmlich und schießt davon.

Die SCHUTZGEMEINSCHAFT DEUTSCHES WILD hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit dem „Tier des Jahres“ nicht allein Arten auszuwählen, die schon akut bedroht und in den Roten Listen des Bundes und der Länder verzeichnet sind. Viel mehr geht es ihr auch darum, den Menschen das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es eine Fülle von Tierarten gibt, die wenig oder gar keine Beachtung finden, aber doch wichtige Glieder in der ökologischen Kette sind. Das sind sehr oft auch kleine Arten wie Ameisen und andere Insektenarten oder Reptilien und Amphibien. Und auch Tiere, deren Dasein und Beziehung zum Menschen Fragen aufwirft, gehören dazu. Wie der Feldhase, von dem ein bekanntes Wort sagt:

„Menschen, Hunde, Wölfe, Lüchse,
Katzen, Marder, Wiesel, Füchse,
Adler, Uhu, Raben, Krähen,
jeder Habicht, den wir sehen,
Elstern auch nicht zu vergessen:
Alles, alles will ihn fressen“.

Jana Brinkmann-Werner
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