Der Feldhamster

Die Mitglieder der SCHUTZGEMEINSCHAFT haben das Tier des Jahres 2016 gewählt. Zum wiederholten Male fiel die Wahl auf den Feldhamster, der bereits einmal im Jahr 1996 zum Tier des Jahres gekürt wurde und in seinem Bestand nach wie vor extrem gefährdet ist.

Der Feldhamster ist aufgrund seines possierlichen Aussehens und seiner auffälligen Färbung vielen Menschen bekannt, auch wenn er in der jüngeren Vergangenheit aufgrund seiner vorwiegenden Dämmerungs- und Nachtaktivität sowie der Seltenheit in Mittel- und Westeuropa kaum mehr in freier Natur beobachtet werden kann. Seine Verbreitung in der Alten Welt überspannt jedoch ein beachtliches Areal von den Niederlanden und Belgien im Westen bis nach Kasachstan und Russland, wo die Ostgrenze seines Vorkommens bis an den in der Mongolei entspringenden Fluss Yenisei reicht.

In der zoologischen Systematik zählt der Feldhamster zu der Ordnung der Nagetiere (Rodentia) in der Familie der Wühler (Microtidae). Mit bis in die Gegenwart vorkommenden weiteren Arten, die ausschließlich in der Alten Welt – hier Europa und Asien – vorkommen, gehört er zur Unterfamilie der Hamster (Cricetinae) und ist der einzige rezente Vertreter der Gattung Cricetus, der Großhamster. Passend zur Gattung ist der Feldhamster mit einem durchschnittlichen Gewicht von 200 bis 500 g (Ausnahmen bis 900 g) der größte heute noch existierende Vertreter der Unterfamilie der Hamster und erreicht eine Länge von bis zu 30 cm, wobei er einen unbehaarten, relativ kurzen Schwanz hat.

Alle Hamster sind gute Baumeister, wobei sich ihr Geschick auf eine intensive Grabtätigkeit fokussiert. Beim Feldhamster bestehen die „Standart-Höhlensysteme“ aus Ausgängen, Eingängen, die steil abfallen und als Falllöcher bezeichnet werden sowie im Inneren aus einer Wohnkammer, einer Vorratskammer und einer Kloake.

Feldhamster sind Winterschläfer, was sich als Notwendigkeit in der kontinentalen Heimat mit langen und kalten Wintern ergibt. Die Diapause beginnt meist im Oktober und endet zum Anfang April, wobei im Herbst und zum Frühjahr hin ein kurzfristiger Wechsel aus Wach- und Schlaftagen zu beobachten ist. Während des Mittwinters dauern die Schlafphasen mehrere Tage und die Hamster sind im mehrtägigen Rhythmus nur einige Stunden wach zur Nahrungsaufnahme aus der Vorratskammer.

Die eingetragenen Mengen in die Vorratskammern können mehrere Kilogramm betragen (bis 34 kg). Meist sind es jedoch zwischen 1 und 2 kg. Durch dieses Verhalten fanden die Feldhamster auch Eingang in unseren Sprachgebrauch, wo wir von „Hamsterkäufen“ oder „hamstern“ sprechen. Auch seine „Hamsterbacken“ sind sprichwörtlich, da er die dehnbaren Backentaschen nutzt, um Nahrung in seinen Bau einzutragen. Seine Vorratsnahrung besteht dabei wesentlich aus Getreidekörnern aber auch Erbsen, sofern sie angebaut werden.

Trotz vornehmlich vegetarischer Kost ernähren sich Hamster als Allesfresser, auch wenn der Anteil tierischer Nahrung unter 10% Biomasseanteil liegt. Zu tierischer Beute zählen Insekten und deren Larven, Würmer aber auch ein beachtliches Spektrum an Wirbeltieren, das von Amphibien, Eidechsen, Mäusen über Jungvögel bis zu Junghasen reichen kann und belegt ist. Kannibalismus tritt beim Feldhamster bei Nahrungsmangel und gleichzeitig höchsten Populationsdichten auf.

Auffällig bunt wirkt der Feldhamster mit seinen gelbraunen und rötlichen Deckhaaren auf dem Rücken sowie an Hals und Kopf, wo markante weiße Flecken im Bereich der Backen, am Hals und hinter den Vorderläufen charakteristisch sind. Die Bauchseite ist schwarz mit weißen Pfoten. Verkehrtfärbung nennt sich das Charakteristikum, dass bei einem Wildtier, die Bauchseite dunkler gefärbt ist als die Oberseite, was bei den meisten Tieren nicht der Fall ist. Ähnliches findet sich z.B. noch beim Dachs und beim Iltis und wie alles in der Evolution hat auch dieses einen besonderen Sinn. Der Feldhamster wird von zahlreichen Beutegreifern als Nahrungstier genutzt, weshalb er interessante Feindvermeidungs- bzw. Abwehrstrategien entwickelt hat. Zum einen stürzt er sich, wenn er sich nahe genug am Fallloch befindet, bei Gefahr in seinen Bau.

Dies gelingt aufgrund seiner eher mäßig schnellen Fortbewegungsfähigkeit, die seinen kurzen Beinen geschuldet ist, jedoch nicht in allen Fällen, wenn er sich z.B. auf Nahrungssuche befindet. Angesichts kritischer und oftmals lebensbedrohlicher Situationen haben Feldhamster verschiedene Strategien entwickelt, um Fressfeinde abzuschrecken oder in die Irre zu führen. Bleibt die Flucht in den Bau unmöglich, richten sich die Wühler auf ihren Hinterbeine auf, blasen ihre Backen auf und wirken so größer. Untermauert wird die Abwehrhaltung durch lautes Knurren und Zischen, was die Gegner einschüchtern soll. Letztlich zeigen Feldhamster in solchen Situationen ihre prominenten Schneidezähne, die sogar bewegt werden können.

Erzielt dieses Abschreckverhalten nicht das Ablassen des Feindes von seiner avisierten Hamsterbeute, wirft sich der Nager auf den Rücken und zeigt seine schwarze Bauchseite, die in Verbindung mit den weißen Pfoten das Maul eines großen Beutegreifers imitieren soll, wobei die weißen Pfoten Fangzähne vortäuschen.

Trotz der ausgeklügelten Feindvermeidung finden Feldhamster häufig ein Ende durch eine Vielzahl an Beutegreifern unter denen sich viele Generalisten finden. Damit ist es für die Beutegreifer nachrangig für das eigene Überleben, ob Feldhamster häufig, selten oder gar nicht mehr vorkommen. Füchse, verschiedene Marderartige (auch Mauswiesel), die Neozoen Waschbär und Marderhund, Greifvögel, Eulen und Rabenvögel, deren Populationen sich in den vergangenen Jahrzehnten in unseren Kulturlandschaften häufig positiv entwickelt haben, sind wichtige natürliche Prädatoren des Feldhamsters. Leider steuert auch mancher Mensch durch seine egozentrische Freizügigkeit in der Haltung von Hunden und Katzen, die sich regelmäßig frei in der Landschaft bewegen dürfen und sich im Falle von verwilderten Hauskatzen auch unkontrolliert fortpflanzen, zu teilweise erheblichen Verlusten von Hamstern bei. Mehrere Studien zur Mortalität bei Feldhamstern in Deutschland und auch Frankreich kommen zu dem Schluss, dass Prädation die wesentlichste Todesursache darstellt.

Darüber hinaus sind Feldhamster bei entsprechender Vorkommensdichte Opfer des Straßenverkehrs oder werden auf Feldwegen und bei landwirtschaftlichen Arbeiten im Feld überfahren.

Hohe Individualverluste sind beim Feldhamster jedoch als ökologische Normalität zu bezeichnen, auch wenn der Einfluss generalistischer Beutegreifer gerade in Mitteleuropa aktuell als sehr hoch bezeichnet werden muss und in Anbetracht geringer werdender Bestände populationsgefährdende Ausmaße annehmen kann. Als typischer r-Stratege (Arten, die durch eine hohe Nachkommenzahl pro Fortpflanzungsperiode und eine frühe Geschlechtsreife eine hohe Mortalitätsrate kompensieren) bekommen die Feldhamsterweibchen bis zu dreimal pro Jahr Junge, wobei je Wurf 5 bis 12 Junge möglich sind. Um die Populationsgröße mindestens zu halten, sind Feldhamster auch aufgrund der kurzen Lebensdauer von nur ein bis zwei Jahren (maximal vermutlich 4 Jahre) auf erfolgreiche 2. und 3. Würfe angewiesen.

Während der erste Wurf nach 17 bis 19-tägiger Tragzeit meist im Juni zur Welt kommt und gute Nahrungsbedingungen in Getreidefeldern herrschen, ist bereits der 2. Wurf im Juli problematisch, da frühe Ernten binnen weniger Tage die Felder ohne Deckung und Nahrung zurücklassen. Forciert wird dies durch die frühere Erntefähigkeit des Wintergetreides gegenüber den stark an Bedeutung verlierenden Sommergetreidesorten sowie höchsteffiziente Herbizide, die großflächig für Monokulturen sorgen können. Schon wenige Tage nach der Ernte erfolgt die Weiterbearbeitung der Felder und moderne Erntemaschinen lassen zudem kaum Ausfallgetreide übrig.

So ist die derzeitige Gefährdung der Art ursächlich auf Umstellungen der Landwirtschaft mit zunehmend industrialisierter Produktionstechnik und Veränderungen im Feldfruchtanbau zurückzuführen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass erst die Urbarmachung durch den Landwirtschaft betreibenden Menschen einen nennenswerten Wiedereinzug der Art in die nacheiszeitlich zunehmend bewaldeten Gebiete Zentral- und Westeuropas ermöglicht hat. Bevor die Wälder im Postglazial Einzug hielten, waren jedoch wühlende Arten wie der Feldhamster auch schon vorhanden. Bekannt sind z.B. fossile Grabgänge, sog. Krotowinen, die bis heute in manchen Mitteleuropäischen Wäldern zu finden sind und eindeutig auf das nacheiszeitliche Vorhandensein von Steppen mit ihrer charakteristischen Flora und Fauna hindeuten.

Der Feldhamster ist eine Art der warmen und trockenen Steppen, die sich unter dem kontinentalen Klima des östlichen Europas und anschließenden Asiens auf tiefgründigen und nährstoffreichen Braun- und Schwarzerden (Tschernoseme) entwickelt hat. In diesen grasdominierten Urlandschaften etablierte sich der Feldhamster in teilweise großen Dichten neben anderen wühlenden Arten. Die Grabtätigkeiten und der einhergehende Eintrag von organischen Pflanzenteilen in den mächtigen A-Horizont (oberste Bodenschicht) der Schwarzerden führten sogar zu einer weiteren Steigerung der Bodenfruchtbarkeit durch die sogenannte Bioturbation.

Diesen ökologischen Einfluss können Hamster und andere wühlende Arten jedoch nur bei hoher Populationsdichte erreichen. In östlichen Gebieten sind Dichten von bewohnten Bauen von 3 bis 37 Bauen pro Hektar beschrieben und in Jahren der Massenvermehrung konnten über 300 Individuen pro Hektar gezählt werden. In Deutschland und den anderen westeuropäischen Gebieten erreichen die Feldhamster jedoch nur noch Dichten von 0,5 bis 3 Tieren je Hektar.

So ist der Feldhamster in Luxemburg bereits ausgestorben und nahe dem Aussterben in seinen noch übrigen westeuropäischen Verbreitungsgebieten. Durch Gesetze, Richtlinien und internationale Abkommen soll der Feldhamster hohen Schutzstatus genießen. Die IUCN bewertet ihn zwar als noch nicht gefährdet (least concern), weist aber auf rückläufige Entwicklungen hin. Die Berner Konvention (App. 2) und die FFH-Richtlinie (Anhang IV) sowie folgerichtig auch das Bundesnaturschutzgesetz gewähren ihm einen sehr hohen Schutzstatus. Der juristische Ist-Zustand des Feldhamsters ändert jedoch nichts am stetigen Rückgang. Hingegen haben, gefördert durch die EU, die west- wie osteuropäischen Agrarökonomien höchste Produktionsstandards erreicht, die kaum Raum für Feldhamster lassen. Auch der Versuch der Ökologisierung der Landwirtschaft durch das sog. „Greening“ beinhaltet keine effizienten Strategien, die auf den Schutz des Feldhamsters abzielen. Wenig tauglich ist auch die „Greening“-Maßnahme des Zwischenfruchtanbaus. Diese Pflanzen erreichen keine Samenreife vor dem Winterschlaf und bedeuten keine Nahrung für Jungenaufzucht im 2. und 3. Wurf.

So ist die Fortexistenz des Feldhamsters auf Projekte einzelner Organisationen angewiesen. Die Deutsche Wildtierstiftung sowie die Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz bemühen sich um Maßnahmen. Dabei lassen Landwirte gegen Zahlung von Kompensationsmitteln Getreidestreifen stehen, um Rückzugs- und Nahrungsräume zu gewährleisten. Für die nächste Förderperiode im Agrarsektor der EU, die im Jahr 2020 beginnt, sollten solche oder ähnliche Maßnahmen zur Routine werden, denn davon würden auch viele andere Arten der Feldflur sehr profitieren.

Ein Umdenken in der Art der „Ökologisierung“ der Landwirtschaft wäre wünschenswert, bedarf aber noch erheblicher politischer Arbeit, wobei die Wirtschaftlichkeit für die Landwirtschaftsbetriebe ebenso im Vordergrund zu stehen hat. Maßnahmen für den gesellschaftlich gewollten Artenschutz können nur von Familien in den Betrieben umgesetzt werden, wenn gleichzeitig die wirtschaftliche Last der Landwirtschaft verringert wird, denn Akzeptanz für Artenschutzmaßnahmen ist unabdingbar für Erfolge.

Jana Brinkmann-Werner
Letzte Artikel von Jana Brinkmann-Werner (Alle anzeigen)